Drei Wege zum Ziel: Wie kommt der Gutachter zum Verkehrswert
- Sebastian Thomsen
- 25. Juli 2023
- 3 Min. Lesezeit
Verkehrswert oder Marktwert
Wenn Sie sich jemals gefragt haben, wie ein Gutachter den Verkehrswert einer Immobilie ermittelt, sind Sie hier genau richtig. Erst einmal kurz vorweg: Was ist überhaupt der Verkehrswert, und gibt es einen Unterschied zum Marktwert?
Die gesetzlichen Grundlagen zur Ermittlung des Verkehrswertes einer Immobilie finden Sie im § 194 Baugesetzbuch (BauGB). Dort heißt es:
"Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstückes oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre."
In der Immobilienbewertung werden die Begriffe Verkehrswert und Marktwert synonym benutzt.

Die 3 Wertermittlungsverfahren der ImmoWertV
Immobiliengutachter haben die Wahl aus verschiedenen Wertermittlungsverfahren, die im Ergebnis zum Verkehrswert führen. Diese Wertermittlungsverfahren sind in der kürzlich novellierten Immobilienwertermittlungsverordnung (kurz: ImmoWertV) aus dem Jahr 2021 beschrieben. Es gibt noch andere Gesetze und Verordnungen, die in der Immobilienbewertung Anwendung finden, z.B. das Pfandbriefgesetz (PfandBG) und die Beleihungswertverordnung (BelWertV), nach denen z.B. Banken bewerten oder das Bewertungsgesetz (BewG), das die Bewertung von Vermögen und bestimmten Einkommen für Steuerzwecke regelt. Die grundlegende Systematik der Verfahren ist jedoch in all diesen Regelwerken mehr oder weniger ähnlich. Wir beschränken uns in diesem Artikel auf die Verfahren der ImmoWertV:
Um den Verkehrswert gemäß § 194 BauGB zu ermitteln, sind gemäß § 6 Abs. 1 ImmoWertV das Vergleichswertverfahren (§§ 24 bis 26 ImmoWertV), das Ertragswertverfahren (§§ 27 bis 34 ImmoWertV) und das Sachwertverfahren (§§ 35 bis 39 ImmoWertV) oder eine Kombination dieser Verfahren heranzuziehen. Die Wahl des Verfahrens hängt von der Art des zu bewertenden Objekts und der Verfügbarkeit relevanter Daten ab und notwendiger Rechengrößen ab.
Das Vergleichswertverfahren (§§ 24 bis 26 ImmoWertV)
Das Vergleichswertverfahren basiert auf der Analyse von Verkaufspreisen ähnlicher Objekte und wird hauptsächlich für die Bodenwertermittlung und für die Wertermittlung von zur Eigennutzung prädestinierten Objekten, z.B. Eigentumswohnungen, verwendet. Die notwendigen Grundlagendaten für dieses Verfahren sind Verkaufspreise ähnlicher Immobilien, die in der Nähe des Bewertungsobjektes liegen und in jüngster Zeit verkauft wurden. Diese Daten sollten Informationen wie Lage, Größe, Qualität und Alter der Immobilie enthalten. Ist eine ausreichende Anzahl gut vergleichbarer Objekte gegeben, lassen sich im Vergleichswertverfahren schlüssige Aussagen zu nahezu sämtlichen Objektarten gewinnen. An entsprechende Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren kommt der Gutachter entweder über die örtlichen Gutachterausschüsse, oder in Zeiten von Big Data und KI auch von Unternehmen, die KI-gestützte Auswertungen des Immobilienmarktes bereitstellen, z.B. Sprengnetter oder On-Geo.
Das Ertragswertverfahren (§§ 27 bis 34 ImmoWertV)
Das Ertragswertverfahren beruht auf den wirtschaftlichen Daten, insbesondere dem Reinertrag des Bewertungsobjektes, und wird zur Wertermittlung von zur Vermietung und Renditeerzielung prädestinierten Objekten eingesetzt. Die notwendigen Grundlagendaten für dieses Verfahren umfassen den aktuellen und zukünftigen erwarteten Ertrag der Immobilie, die Betriebskosten und die sogenannten Liegenschaftszinssätze, die die Renditeerwartungen des Bewertungsobjekts widerspiegeln. Hierbei wird der nachhaltige Ertrag der Immobilie ermittelt und auf den Bewertungsstichtag diskontiert. Einfach gesagt beantwortet das Ertragswertverfahren die Frage, wieviel die zukünftigen Erträge (Mieteinnahmen) heute wert sind. Das Ertragswertverfahren kommt meist vorranging zur Anwendung bei Renditeimmobilien, z.B. Mietwohnungen oder Gewerbeimmobilien.
Das Sachwertverfahren (§§ 35 bis 39 ImmoWertV)
Das Sachwertverfahren ergibt sich aus dem Wert des Grundstücks zuzüglich des Zeitwertes der baulichen Anlagen und der Außenanlagen. Es wird überwiegend bei der Wertermittlung von zur Eigennutzung prädestinierten, nicht vermieteten Objekten angewendet, z.B. Einfamilienhausgrundstücke, Ferienhausgrundstücke oder Lagerhallengrundstücke in ländlichen Gegenden. Die notwendigen Grundlagendaten für dieses Verfahren sind die Kosten des Grundstücks und der Gebäude, einschließlich der Kosten für Bau- und Außenanlagen, abzüglich der Abschreibungen für Alter und Verschleiß. Das Sachwertverfahren gibt Antwort auf die Frage nach dem Substanzwert einer Immobilie.
Obwohl grundsätzlich jedes der drei Bewertungsverfahren für die Bewertung eines Objekts in Frage kommt, ist die Anwendung bestimmter Verfahren für bestimmte Objektarten üblich und sinnvoll. Die Entscheidungsfindung basiert auf der Verfügbarkeit der für die Wertermittlung erforderlichen Daten und der Kaufpreisbildung auf dem Grundstücksmarkt.
Verfahrenswahl
So werden beispielsweise Renditeobjekte wie Mehrfamilienhäuser oder Geschäftsgrundstücke vorrangig im Ertragswertverfahren bewertet, während unbebaute Grundstücke oder WEG-Wohnungen häufig im Vergleichswertverfahren bewertet werden. Objekte, bei denen der Substanzwert im Vordergrund steht, wie Ein- und Zweifamilienhäuser, werden oft im Sachwertverfahren bewertet.
Es können auch mehrere Verfahren angewendet werden, entweder zur Plausibilisierung oder weil mehrere preisbildende Mechanismen am Markt für bestimmte Objekttypen maßgeblich sind.
Die Berechnungen innerhalb der einzelnen Verfahren sind auf den ersten Blick eher wenig komplex. Mehr Informationen zu den einzelnen Wertermittlungsverfahren gibt es in anderen Blogartikeln. Der Teufel liegt wie so oft im Detail. Die Hauptaufgabe eines Gutachters besteht insbesondere in den vorbereitenden Arbeiten, der Datengewinnug bzw. der Datenaufbereitung, dem Lückenfüllen in der Datenlage durch sachverständige Würdigung des Einzelfalls, der Auslegung der zur Verfügung gestellten oder selbst eingeholten Dokumente, Zeichnungen, Bauakten oder Auskünfte und nicht zuletzt natürlich der schriftlichen Gutachtenerstellung.
Brauchen Sie Unterstützung bei der Bewertung Ihrer Immobilie? Kontaktieren Sie mich noch heute für eine professionelle Immobilienbewertung entweder telefonisch oder über das Kontaktformular auf der Homepage.
Ihr Marktwert Ingenieur
Sebastian Thomsen
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